zur aktuellen Situation rund um die CORONA-Krise.

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Hallo Michael, wie geht es Dir und deiner Familie in diesen Tagen?

Danke – soweit gut. Wir sind alle gesund. Meine Frau darf nahezu normal weiterarbeiten; meine Tochter absolviert ein Praktikum innerhalb ihres Studiums; unser ältester Sohn sollte sein Fachabitur schreiben; Unser Jüngster Tom springt hier herum, bekommt Hausaufgaben. Überall fehlen aber einfach die Freunde und Bekannte

Hast Du und Deine Frau auch „Home-Schooling“ (Schule / Unterricht Zuhause) gemacht und wie erging es Euch dabei?

Nur bei Tom. Und das reicht auch. Eigentlich ist es überschaubar, was sie an Stoff aufbekommen. Aber die Bequemlichkeit („morgen kann ich das doch auch noch erledigen“), die Unregelmäßigkeiten; ständig muss man antreiben und motivieren usw. Natürlich, es ist ja auch klar: Im Klassenverbund fällt das Lernen einfach etwas leichter. Den Kindern fehlen schlicht und einfach die Gleichaltrigen.

Was macht eigentlich deine Stimmband-reizung, die dich bereits Ende des alten Jahres stark belastet oder eingeschränkt hat.

Ist es besser geworden?

Zwischendurch wurde es tatsächlich wesentlich besser.

Das war so in den ersten drei Wochen des Lockdowns. Inzwischen ist die Stimme wieder voll belastet. Ich bin weiter bei meiner Logopädin in Behandlung und mache fleißig meine Übungen. Es wird leider noch etwas länger dauern….

Die Corona-Krise hat viele Branchen schwer getroffen, unter anderem auch die freiberuflichen Musiker und Künstler, darunter auch Dich als Chorleiter und viele Deiner Kolleginnen und Kollegen. Wie sieht zur Zeit dein Alltag aus?

Wie gesagt: die ersten Wochen konnte ich runterfahren – Seit 6 Wochen läuft es zeitlich fast normal. Ich unterrichte meine Musikschul-Schüler online (seit dieser Woche wieder physisch face to face („von Angesicht zu Angesicht“) mit Abstand. Der Schulunterricht wird ja auch demnächst wieder beginnen. Aber der Musikschulunterricht an meiner Schule wohl noch länger auf sich warten lassen. Und die Chorproben halte ich größtenteils auch für das Internet. Was tatsächlich weg fällt sind die vielen Autofahrten und somit auch die Kilometerbelastung meines Autos. Und: auf einmal ist jedes Wochenende frei – man könnte so schön verreisen…….

Wie sehr behindert das allgemeine Kontaktverbot Deine musikalische Arbeit? Oder gibt es trotz aller Einschränkungen möglicherweise auch Vorteile oder positive Aspekte in der aktuellen Krisensituation?

Zuerst einmal bin ich sehr glücklich, dass ich Mittel und Wege gefunden habe, überhaupt arbeiten zu können. Das ist ja als Freiberufler gerade nicht selbstverständlich. Und das ist schon der positive Aspekt der ganzen Geschichte. Ansonsten ist es super eingeschränkt. Und von mal zu mal merke ich, wie schmerzlich man die Menschen vermisst, mit denen man Woche für Woche Zeit verbringt.

Klar, wir sehen uns über das Internet; wir können auch in den einzelnen Stimmen Lieder erarbeiten. Das ist alles prima. Aber das, was das Chorsingen ausmacht – das gemeinsame Singen, das Erarbeiten und Ausarbeiten von Liedern, das Musizieren, die Harmonien – das alles bleibt natürlich auf der Strecke und man kann das wohl auch nur mit der Hoffnung auf bessere Zeiten aushalten.

 Schaffst du es überhaupt, so lange Kontakt mit deinen vielen Chören der näheren und weiteren Umgebung zu halten?

 Ja – jede Woche bekommt jeder Verein seine Zeiten. Und tatsächlich können wir auf Grund der jetzigen Situation so das Beste rausholen.

Kannst du den nicht beteiligten Senioren des Männerchores kurz beschreiben, wie eine solche virtuelle Chorprobe aussieht und abläuft?

ZOOM – so heißt das Internetportal. Es ist quasi eine Konferenz über das Internet. Wer einen PC oder ähnliches Gerät mit Kamera und Mikrophone besitzt, braucht noch eine ordentliche Internetverbindung – und schon geht es los…

Die Sänger/-innen werden von mir „eingeladen“ – sie bekommen Passwörter, so dass sie sich in eine Besprechung (in ein sogenanntes „Meeting“) einwählen können bzw. daran teilnehmen können.

            

Bei unserem kleinen Männerchor, den „Voice Boys“ sind regelmäßig 90% aller Männer dabei. Alle sieht man dann auf seinem Computer-Bildschirm, siehe oben (theoretisch können daran bis zu 100 Köpfe erscheinen) – jeder kann (wenn es optimal läuft) nacheinander sprechen.

Am Anfang eines Meetings wird erzählt, man tauscht sich aus, was so passiert ist – sozusagen in News aus Niederbrechen. Man kann sich gegenseitig betrachten, wer welchen Bartwuchs wuchern lässt oder wer gerade wie zu Hause herumläuft. 

Tatsächlich bekommt jeder von jedem einen kleinen privaten Einblick in das Wohn- oder Arbeitszimmer. Dann soll natürlich auch etwas musikalische erarbeitet werden.

Alle schalten „sich stumm“ (also ihr Mikrophon am Rechner aus), sodass alle Sänger nur mich als Chorleiter hören können. Jeder nimmt die Noten zur Hand. Ich platziere mein E-Piano vor meinem Bildschirm und singe die einzelnen Chorstimmen nach und nach vor. Nicht nur einmal, sondern so oft, bis ich denke, dass die einzelnen Sänger zuhause mitsingen können und hoffentlich auch richtig mitsingen. Denn – und das ist der große Nachteil – auch ich kann die SängerInnen nicht hören.

Dafür werden sie aber (wahrscheinlich) von Ihren Frauen/Partnerinnen oder vom Hausnachbarn gehört. Die müssten dann beurteilen, ob die Töne richtig sind 😊…  So läuft es dann die gesamte Chorprobe. Gemeinsam kann man leider nicht singen. Dafür ist die Technik, die wir gerade benutzen nicht ausgelegt, denn u.a. gibt es immer eine Zeitverzögerung von einer Sekunde. Und – sollten dann die Mikrophone angeschaltet sein – ist immer nur einer deutlich zu verstehen. Diese Art zu proben ermöglicht für einen Laienchor tatsächlich nur das Erlernen von einzelnen Chorstimmen. Vielleicht werden die Möglichkeiten in Zukunft durch z.B. Glasfaserkabel besser (sollte nun aber keine Werbung sein…). Auf diese Weise haben die beteiligten Männer von den Voice Boys drei Lieder („Sonntag im Mai“, „In the still of the night“ und „Fifty ways) in der jeweiligen eigenen Chorstimme erlernt. Am Ende der Probe frage ich in die Runde, ob alles soweit klar und verständlich ist oder war, oder ob ich noch einmal einzeln Stellen langsam vorsingen soll. Dann verbleiben noch 5 Minuten, in denen wir uns noch kurzschließen, was zu erledigen gibt, ob Noten organisiert werden soll oder ähnliches, oder ein „Zum Wohl“ ertönt, falls noch ein Glas Wein griffbereit ist, bevor es dann für einen Teil der Männer und mich mit der Doppelterz weitergeht.

Virtuelle Chorproben können die regulären Proben natürlich nicht ersetzen. Sind Sie trotzdem richtig bzw. wichtig und können Sie ein Modell für die Zukunft, auch in der Laienchorarbeit, sein?

In dieser Krise sind sie gerade sehr wichtig. Es ist nun mal ja die einzige Möglichkeit, in einer Gruppe Kontakt zu halten. Man sieht sich mal wieder, man kann musikalisch Lieder kennen lernen. Und ich bin natürlich äußerst dankbar, dass ich arbeiten darf.

Für die Zukunft? Sollte ich mal hier im Untertaunus eingeschneit sein, die Straßen unbefahrbar sein, könnte man auf diese Möglichkeiten zurückgreifen. Und: warum könnte man mit diesem Mittel nicht auch Sängern, die zuhause krank herumliegen, per Videoschalte die Chorprobe nach Hause übertragen? Klar – Aufwand – aber es wäre mit der heutigen Technik möglich. Aber Bitte!!!! Lasst es bald wieder erlaubt sein uns richtig zu begegnen. Es ersetzt keine normale Chorprobe.

Was vermisst du am meisten?

Den persönlichen Kontakt zu meinen Sängerinnen und Sängern. Und natürlich den Spaß, den wir zusammen haben. Und letztendlich auch das, was wir musikalisch erarbeiten, präsentieren zu können.

Wie schätzt du den weiteren Verlauf der Krise ein? Wann meinst oder glaubst du, werden die Chöre wieder Gelegenheit zur gemeinsamen Probe haben? Hast du dazu möglicherweise fachliche Informationen?

 Informationen gibt es täglich. Gerade heute Vormittag habe ich einen Bericht aus Köln gelesen. Genaues weiß man leider immer noch nicht. Ein wenig Hoffnung geben Sätze wie: „….vielleicht ab Pfingsten, in Kleingruppen, mit Abstand, evtl. mit Maske in einem großen durchlüfteten Raum und durch Plexiglaswände getrennt zu singen.“

Es wird auch Aufgabe der Vereine sein, dazu Konzepte auszuarbeiten. Fragen wie z.B.: Habt ihr große Räume? Wann lüftet ihr? Wie sieht es mit Abstand der einzelnen Sänger untereinander aus? Habt ihr Desinfektionsmittel? Gibt es einen getrennten Ein- und einen Ausgang oder ggf. Trennwände? usw. Das sind Fragen, die gerade in den Schulen oder Musikschulen beantwortet werden. Auch die haben den Betrieb mit Auflagen wieder aufgenommen.

Im Anschluss an meine Probe gestern Abend in Görsroth haben wir auch schon überlegt, ob man Stellwände mit zwei Ständern und gespannter Plane anfertigen könnte/sollte. Ob man damit mal Vorreiter in Sachen „Ideen für den Sängerbund“ sein sollte. Andererseits sitzen dort bestimmt kompetente, kluge Köpfe, die daran arbeiten werden, welche Verordnungen oder Empfehlungen man ausgeben könnte. So ergeht es ja nicht nur uns – auch Sportvereine, die sich in Hallen aufhalten, müssen sich ja auch an bestimmte Hygiene-Regeln halten.

Für uns im Männerchor wäre vielleicht demnächst ein Treffen wieder möglich sein, wenn man sich mit 15 Leuten treffen darf. Im Freien, mit Abstand. Vielleicht könnten wir mal ein paar wenige Töne singen, ohne dabei tief einzuatmen.

Eine Prognose dafür abzugeben fällt letztendlich sehr schwer. Vielleicht irgendwann nach den Sommerferien…… jedenfalls ist das zur Zeit sehr schwierig abzuschätzen.

 Die vielen älteren Sänger ohne Zugang zu neuen Medien haben nun schon mehr als 6 Wochen keine Gelegenheit zur Probenarbeit, aber auch nicht zum geselligen Zusammensein und Austausch, der in der Regel nach der Chorprobe stattfindet. Möchtest du Ihnen auf diesem Wege eine „Botschaft“ oder eine Nachricht übermitteln?

Zunächst sende ich allen ganz liebe Grüße verbunden mit der Hoffnung, dass alle gesund sind. Unsere montäglichen Proben vermisse ich sehr. Lasst uns diese Zeit alle gesund überstehen, bis wir dann, wenn es soweit ist, wieder dort weitermachen, wo wir aufgehört haben.

Ich wünsche Euch, dass Ihr Kontakt zu Euren Familien habt und Euren anderen Hobbies weiter nachgehen könnt.

Haltet untereinander zumindest telefonisch Kontakt. Kommt gesund durch diese Zeit.

euer Michael Knopke

(Foto: Homepage der Musikschule Hünstetten)
Unser engagierter Chorleiter Michael Knopke ist auch in diesen schwierigen Zeiten ein Musiker durch und durch.

Lieber Michael, wir sagen vielen Dank, dass Du Dir Zeit für das Interview genommen hast. Bleib bitte weiter gesund und bewahre Dir dein tolles musikalisches Engagement!

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(interviewt hat Gerhard Stillger)

wir fragen unseren Dirigenten Michael Knopke …